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Perfektionieren wir den Wirtschaftsstandort Deutschland kaputt?

Der Bau der geplanten Tesla-Fabrik für Elektrofahrzeuge in Brandenburg war zwischendurch ins Stocken geraten. Ein Gericht hatte die Rodung des Waldgebietes, auf dem die Fabrik entstehen soll, zunächst gestoppt. Die Boulevard-Presse schrieb von einem „Streit um Kiefern und Ameisen“ – an einem Ort, an dem Klimaschutz durch Elektromobilität realisiert werden sollte.

Es schien, als würde es dem Renommee-Projekt von Tesla gehen wie vielen anderen großen Bau- und Entwicklungsprojekten auf deutschem Boden zuvor. Elbphilharmonie, Berliner Flughafen… In Shanghai konnte Tesla seine Fabrik in Rekordzeit hochziehen, in Deutschland ist das alles schwieriger. Es gibt eine erste Idee, dann die ersten Pläne, Prüfungen, Debatten und Gutachten – und dann kommen die Gegenstimmen, die Klagen und Prozesse, und das Ganze erstreckt sich in oft jahrelange Streitigkeiten und Verfahren vor Gericht. Wenn es gut geht, kommt das Projekt irgendwann zu einem passablen Abschluss. Doch die Kosten schießen im Laufe der Zeit in die Höhe, während das Ansehen in den Keller rutscht.

Machen wir uns mit unserem Schutz- und Dokumentations-Perfektionismus kaputt? Ich lasse zum Beispiel gerade einen alten Bauernhof renovieren und zu einem Seminar- und Coaching-Zentrum ausbauen. Der Kaminbauer, den ich in diesem Zusammenhang konsultierte, sagte mir neulich: „Lange mach ich das nicht mehr. Mit all den Vorschriften kann ich nicht mehr arbeiten. Jeden Monat kommt was Neues dazu.“ Und der Leiter des Gartenbaubetriebs, der das Gelände anlegen soll: „Ich werde wahnsinnig mit den Vorschriften, Nachweispflichten, Herkunftspflichten und Düngedokumentation.“ Beide stehen kurz davor aufzugeben.

Umwelt- und Klimaschutz ist wichtig, keine Frage! Und natürlich müssen Bau-Tätigkeiten und Werkstoffe sauber und transparent dokumentiert sein. All das kommt uns und den nachfolgenden Generationen zugute. Aber wir sollten dabei die Verhältnismäßigkeit nicht aus dem Auge verlieren. In Grünheide soll eine riesige Waldfläche abgeholzt werden, das stimmt. Aber genau dafür wurden die Bäume gepflanzt. Als Forst-Wirtschaft, als natürlicher Rohstoff für die Industrie. Die Fläche wäre ohnehin gerodet worden.

Und in einer ansonsten wirtschaftlich eher schwachen Region entstehen in der Fabrik und bei Zulieferern und potenziellen Dienstleistern Tausende Arbeitsplätze. Außerdem wird die Zukunft von Tesla in Brandenburg weltweit das Bild des Wirtschaftsstandorts Deutschland prägen. Wir müssen international wettbewerbsfähig bleiben, wenn Wirtschaft und Gesellschaft (und ganz nebenbei auch unser insgesamt hoher Lebensstandard in Deutschland) Zukunft haben sollen.

Seit Jahren rufen Politiker nach mehr Elektromobilität als klimafreundliche Alternative. Nun investiert ein Unternehmen Milliarden in ein entsprechendes Werk, und dann gibt es solche Hürden. Ich wünsche mir mehr Praktiker in Politik und Verwaltung – und in Umweltverbänden. Sie müssen wissen, wie Volkswirtschaft und Unternehmen ticken. Sie sollten weniger diskutieren und dafür mehr handeln, vereinfachen und entlasten. Sonst ziehen Unternehmen und Facharbeiter woanders hin zum Arbeiten. Und mit ihnen gehen dann auch Wirtschaftsstandort, Wohlstand und Sozialsystem.

Ihr Joachim Lang