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Übung macht den Meister – und was macht Übungsverlust…?

Die meisten Beschäftigten in deutschen Firmen sind aus den Sommerferien zurück. Die Lockerungen der vergangenen Wochen, die neuen Regeln zu 3G und die Abkehr von den Inzidenzwerten machen es immer mehr möglich, dass weniger im Homeoffice und dafür mehr wieder an ihrem Arbeitsplatz vor Ort sind.

Täglich zur Arbeit: Für viele Beschäftigte ist das nach vielen Monaten Zwangspause (je nach Branche) ungewohnt. Daraus ergibt sich die Frage, ob wir nach einer solch langen Absenz überhaupt noch in der Übung sind, um unseren Job wie gewohnt zu machen. Die „VDI nachrichten“ haben diese Frage bereits vor einem Monat gestellt und vor einem Übungsverlust und den Folgen gewarnt. Zitat: „Wenn ein Pianist wegen Übungsverlust die falschen Tasten trifft, ist das nur unangenehm. Wenn Piloten deswegen die falschen Knöpfe drücken, wird es gefährlich.“

Übungsverlust im Arbeitsalltag

Nun ist es nicht in jeder Branche gleich derart gefährlich, nur weil den Beschäftigten nach Monaten mangelnder Praxis die Übung fehlt. Doch dieser so genannte Übungsverlust trifft nicht nur einzelne wichtige Tätigkeiten wie die eines Piloten, eines Hotelkochs oder eines Veranstaltungstechnikers. Obwohl auch dort jeder Handgriff sitzen muss. Es fängt für uns alle schon beim einfachen Arbeitsrhythmus an. 

Ich habe durch meine Kontakte und Beratung während der Corona-Pandemie viele Firmen und Beschäftigte erlebt, die mit dem ersten Lockdown und der Verpflichtung zum Homeoffice in ein strukturelles Loch gefallen sind. Ihnen haben von heute auf morgen Arbeits- und Tagerhythmus und jede Art von Struktur gefehlt. Das betraf vor allem diejenigen, die nicht nur ins Homeoffice wechseln mussten, sondern die von Kurzarbeit betroffen waren oder gar ihren Job verloren. Sie mussten erst einmal einen neuen Lebensrhythmus und Tagesablauf finden. Manch einer sah sich in einer „verkehrten Welt“ und war plötzlich für Haushalt und Kinder verantwortlich.

Nach Corona in Abläufe und Arbeitsalltag reinfinden

Können sie sich jetzt wieder auf tägliche Arbeit in den Betrieben einstellen? Über acht Stunden oder länger? Bei gleichbleibender Aufmerksamkeit und Qualität der Arbeit? Natürlich geht das, aber es wird nicht jedem leicht fallen. Zumal sich ein solcher Übungsverlust in der Regel bereits nach kurzer Arbeits-Unterbrechung bemerkbar macht. Die „VDI nachrichten“ schreiben dazu: „Beispiele aus komplexen Fertigungs-, Montage- und Wartungsbereichen sind wissenschaftlich dokumentiert, wo bereits der Einfluss des Wochenendes in der Arbeitsqualität messbar ist.“ Nicht ohne Grund sprechen wir oft scherzhaft von einer „Montagsproduktion“…

In der Gastronomie etwa haben viele Menschen ihren Job aufgegeben (oder wurden gekündigt) und sind in andere Branchen gewechselt, in Corona Testzentren zum Beispiel. Mit den kostenpflichtigen Tests ab Oktober wird die Anzahl an Tests sinken und werden die Testzentren ihre Bedeutung zunächst wieder verlieren. Im Gegenzug werden Gastronomie-Mitarbeiter nötiger gebraucht denn je. Wenn demnächst in den Restaurants und Kneipen eine neue Normalität einkehrt, werden hier mehr Besucher erwartet und entsprechend mehr Servicepersonal benötigt. Kann ich nach 18 Monaten Auszeit von einem Tag auf den anderen wieder als Servicekraft oder Küchenhilfe einsteigen?

Einarbeitungsphasen notwendig

Wer den Job schon lange (und gerne) gemacht hat, wird wieder reinfinden. Wir Unternehmer sollten uns aber klar machen und den Beschäftigten auch zugestehen, dass der Übungsverlust in vielen Fällen nur durch Üben – also durch eine erneute Einarbeitungsphase – ausgeglichen werden kann. Wichtig hierbei ist – wie immer – die gute Begleitung und Führung der Mitarbeiter. 

Es ist wie im Sport: Wer einmal joggt, und erst zwei Wochen später noch einmal, und dann wieder pausiert, der wird sich immer wieder neu aufraffen müssen. So entsteht erst einmal keine Freude an der Bewegung, das Projekt „Gesund durch Laufen“ wird wohl scheitern. Wer aber den inneren Schweinehund überwindet, die ersten Male positiven Willen gegen negative Motivation ausspielt und täglich auf die Piste geht, der wird einen Trainingseffekt erzielen. Und dieser Trainingseffekt verleiht uns Freude am Laufen (in diesem Fall beim Joggen) und kann uns auch vor einem Übungsverlust bewahren.

Regelmäßige Übung sichert Qualität

Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber heißt das aus meiner Sicht als Personalberater: Etwas regelmäßig durchführen und dabei besser werden, kann nach einer Weile zur Begeisterung führen. Das gilt für alle Bereiche. Unternehmen müssen ihrerseits – wenn sie es während der Lockdown- und Homeoffice-Zeit nicht ohnehin gemacht haben – Strukturen bieten, zum Beispiel regelmäßige Meetings, Hilfestellungen für eine Tagesstruktur, Weiterbildung und Trainingsmaßnahmen.

Darum sind zum Beispiel bei uns im Unternehmen alle Beschäftigten aufgerufen, aktiv Support einzufordern – Hilfestellung als Beratung oder regelmäßiger Austausch, wie es zum Beispiel nach einer langen Auszeit, nach einem Sabbatical oder einer Elternzeit in vielen Betrieben praktiziert wird. Der Bedarf wird sehr individuell sein, bei dem einen weniger, bei anderen mehr. Denn nicht jeder ist mit der Ausnahmesituation der letzten Monate in gleichem Maße klar gekommen. Auch das müssen wir als Unternehmer berücksichtigen.

Den richtigen Weg für mehr Übung finden

Ich jedenfalls wünsche allen Firmen und allen Beschäftigten, die wieder an einem Arbeitsplatz vor Ort sein dürfen, gutes Reinfinden und viel Erfolg. Übungsverlust ist kein Problem – wenn wir ihn jetzt direkt angehen und für die Zukunft vorbeugen. Es gibt verschiedene Wege, wie sich das konkret umsetzen lässt. Welchen wählen Sie?