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Telefonieren statt schreiben – das hat Vorteile

Vor einigen Wochen habe ich einen Beitrag gelesen, der überschrieben war mit „Quasseln statt tippen“. Es war ein Appell, statt geschriebener Nachrichten öfter mal wieder zum Hörer (oder meinetwegen zum Mobiltelefon) zu greifen. Denn der Trend, den direkten Dialog am Telefon zu vermeiden und stattdessen auf E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten zu setzen, nimmt immer mehr zu. Sogar ein ehemaliger amerikanischer Präsident hat sich deutlich häufiger per Twitter mitgeteilt, anstatt das Telefon zu benutzen. Vom direkten Gespräch einmal abgesehen.

Dabei ist das Telefon nicht überflüssig geworden – schon gar nicht in einer Zeit, in der viele im Homeoffice arbeiten und ein persönliches Gespräch im Büro selten möglich ist. Der Beitrag berichtet davon, dass Studien zufolge vor allem Jüngere verstärkt Angst haben vor dem direkten Dialog am Telefon. Demnach nutzen 95 Prozent der Jugendlichen und damit der potenziellen Auszubildenden lieber Chats und WhatsApp-Nachrichten. Nur jeder Fünfte telefoniert noch regelmäßig. Das führt auf Dauer zu einer Blockade. Die Rede ist von einer „Telephobie“ – also einer Telefon-Phobie. Das kann Angst vor direkter Kritik am Telefon sein oder die Angst vor mangelnder eigener Schlagfertigkeit in Diskussionen mit anderen.

Wer aber wegen solcher Ängste und Sorgen vom Telefon auf E-Mail oder gar auf Kurznachrichten via Telegram oder WhatsApp umsteigt, macht die Sache meist nur noch schlimmer – wie bei vielen Dingen, um die wir einen Bogen machen. Daher hier einige Hinweise, warum das Telefonieren besser ist und wie man mit solchen (meist unbegründeten) Sorgen umgehen kann.

Klare Botschaft

Als Personalberater stelle ich immer wieder fest, wie schwer sich manche Menschen damit tun, ihre Gedanken aufzuschreiben. Viele sind durchaus eloquent, wenn sie frei reden. Sollen sie einen Text schreiben, wird das oft sperrig, steif, schwer zu lesen oder voll von Fremdwörtern, unklaren Bezügen und Wiederholungen. Eine E-Mail an Kunden oder Mitarbeiter kann dann schon mal mehr Unklarheiten schaffen und Missverständnisse erzeugen. Was wiederum – wenn es schlecht läuft – Irritationen und schlechte Stimmung im Unternehmen nach sich ziehen kann.

Darum mein Rat: Schreiben Sie weniger, sondern rufen Sie an. So kommen klare Botschaften leichter rüber. Und sollte es doch zu Missverständnissen kommen, so lassen die sich im direkten Gespräch leichter erkennen oder bei Telefonaten durch Rückfragen leichter benennen und beseitigen. Auf Dauer spart das eine Menge Zeit, die Zusammenarbeit – ob im Unternehmen, mit Kunden oder auch im privaten Bereich – wird deutlich angenehmer, persönlicher und effektiver, weil ich schneller zum Erfolg komme.

Eskalationsspirale vermeiden

Sollte es dennoch zu Missverständnissen kommen, ist die Flucht in E-Mails auch keine gute Idee. Denn Irritationen und Ärger schwelen ja weiter und formen sich im Laufe der dauernden Hin-und-her-Mailerei in eine Eskalationsspirale. An deren Ende gibt es in der Auseinandersetzung nur wenige Wege zu einer konstruktiven Lösung. Viele Arbeitsgerichtsprozesse, von denen ich als Unternehmens- und Personalberater erfahre (weil Unternehmer oder Beschäftigte Hilfe suchen) basieren auf Unstimmigkeiten, die sich im Laufe der Zeit durch unklare Kommunikation ergeben haben und die nicht professionell angesprochen und dann geklärt wurden. Wirklich fachliche Differenzen sind vergleichsweise selten der Fall, der Konflikt passiert auf der Beziehungsebene.

Das gilt natürlich auch für jeden Verein, für die Mitarbeit in (Fach-)Verbänden und auch für das Miteinander mit Freunden oder in der Familie. Die verkürzten Nachrichten insbesondere bei WhatsApp & Co., aber auch klassische E-Mails werden vom Empfänger oft anders wahrgenommen, als der Verfasser es gemeint hat. Dann gibt ein (falsch verstandenes) Wort das nächste, und aus Lappalien ist schnell ein ernsthafter persönlicher Streit entstanden. Fragen Sie einmal in Ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis – oder fragen Sie sich selber: Sie werden auf mehrere solcher Fälle stoßen. Ein falsch verstandenes geschriebenes Wort schaffe ich nicht mehr aus der (digitalen) Welt. Das gesprochene Wort, falsch verstanden, kann ich mit Humor noch mindern.

Nein gesagt hat er schon

Um Menschen die Angst vor dem Telefonieren zu nehmen, frage ich nach den Gründen für ihre Phobie. Warum lieber E-Mail schreiben, als anrufen? Dann höre ich oft von der Furcht vor einem „Nein“. Da hat jemand ein Anliegen, möchte einen zusätzlichen freien Tag, eine Änderung in der Personalplanung oder ganz schlicht die erhoffte Zusage für einen Job oder einen Auftrag. Das Gegenüber am anderen Ende der Leitung könnte aber „Nein“ sagen und unser Begehren damit erfolglos sein.

Diesen befürchteten Moment der Enttäuschung bei einer Absage wollen viele vermeiden – und verzichten daher auf einen Anruf. Nur: In diesem Fall ändert sich ja nichts an der Situation. Habe ich noch keine Zusage und rufe ich mein Gegenüber nicht an, bleibt es, wie es ist: Nein gesagt hat er schon. Die E-Mail schützt mich nicht vor der Enttäuschung. Sie schützt mich allenfalls vor dem Moment der Enttäuschung, vor der Schrecksekunde, vor einer möglichen Sprachlosigkeit, die die Enttäuschung mit sich bringt. 

Sie nimmt mir aber auch die Chance, darauf direkt reagieren zu können. Schon ein einfaches „Das ist schade. Wie können wir dennoch ins Geschäft kommen?“ oder „Wie sollte mein Angebot aussehen, damit es für Sie passt?“ ist möglich. Der Gesprächsfaden reißt dann nicht ab, Sie bleiben direkt im Dialog. Das ist kein Garant für einen späteren Auftrag, aber ein Garant, dass Sie bei Ihrem potenziellen Auftraggeber oder Arbeitgeber positiv in Erinnerung bleiben.

Schlagfertigkeit üben durch Vorbereitung

Mancher mag nun erwidern: Ich weiß nicht, wie ich in einer solchen enttäuschenden Situation (abgelehntes Angebot, kein zusätzlicher Urlaub etc.) reagieren soll. Wer auf Schriftlichkeit setzt, muss nicht schlagfertig sein. Da können wir jeden Satz, jede Formulierung genau erarbeiten und stunden- oder tagelang darüber nachdenken. Am Telefon geht das nicht. Da muss man schlagfertig sein und in Bruchteilen von Sekunden eine gute Antwort oder eine passende Reaktion parat haben. 

Dabei ist es ganz einfach, die passende Reaktion parat zu haben: Wir müssen uns nur vorbereiten. Vorbereitung ist das A und O erfolgreichen Handelns. Egal, ob beim Anrufen, bei einer Präsentation vor Investoren oder bei der Rede vor einer versammelten Gesellschaft. Niemand verlangt, dass wir unvorbereitet in eine Verhandlung am Telefon gehen. 

Lächeln Sie – das hört man!

Was auch wichtig ist: Rufen Sie nicht an, wenn Sie ohnehin schon mies gelaunt oder auf hundertachtzig sind. Nehmen Sie den Stress aus Ihrem Körper und (sic!) aus Ihrer Stimme. Denn Ihr Gegenüber hört, wie es Ihnen geht. Telefon-Profis empfehlen in ihren Trainings immer: Lächeln Sie! Ihr Gegenüber hört, wenn Sie lächeln.

Gefragt werde ich auch oft: „Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein kritisches Telefonat?“ Ich antworte dann gern: „Jetzt.“ – Sie können nicht wissen, in welcher Situation Ihr Gesprächspartner gerade ist. Ist er Morgenmuffel oder hatte er gerade Streit mit jemandem – oder erwischen Sie ihn bei bester Laune? Diese Unwägbarkeiten gehören in der zwischenmenschlichen Kommunikation dazu.

Das ist für viele ungewohnt und muss trainiert werden. Wenn ich allerdings immer wieder davor weglaufe, kann ich es nicht trainieren. Schlagfertigkeit am Telefon braucht Übung. Wer nicht regelmäßig Telefonate auch zu evtl. kritischen Fragen oder Themen führt, kann nicht üben. In meinem vorhergehenden Blog-Beitrag ging es um die Redewendung „Übung macht den Meister“. Und darum, dass Übungsverlust uns und unser Wirtschaftssystem belastet. Daher: Üben Sie! Telefonieren Sie! Und wenn Sie Fragen zu diesem Beitrag haben – oder auch wenn Sie anderer Meinung sind: Rufen Sie mich gerne an!