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Wir brauchen wieder mehr Verlässlichkeit

Verlässlichkeit

Als vergangene Woche die Gewerkschaft der Lokführer am Dienstagnachmittag mitteilte, dass Sie wenige Stunden später einen zweitägigen Streik starten werde, war der Ärger bei Reisenden und Unternehmen groß. Egal, ob privat unterwegs oder geschäftliche Notwendigkeiten, Fahrt zu einem Kunden oder Gütertransport: Wir verlassen uns auf die Infrastruktur und die Mitarbeiter, die sie „bedienen“. Und wir haben uns hier auch auf die Lokführer und den Vorsitzenden ihrer Gewerkschaft Claus Weselsky verlassen. Der hatte angekündigt, man werde den Reisenden „ausreichend Vorlauf“ geben, um sich auf die Situation einzustellen. Daran gehalten hat er sich nicht.

Auch während eines Tarifkonflikts ist es gut, wenn Menschen und Organisationen Verlässlichkeit zeigen. Das war hier leider nicht der Fall. Immer wieder verlassen wir uns auf andere, auf Geschäftspartner, Beschäftigte, auf andere Unternehmen, auf Politik und Verwaltung. Denn ohne Verlässlichkeit ist unser vernetztes und heutzutage oft auch grenzübergreifendes Denken und Arbeiten kaum möglich. Schert einer aus der Reihe – wie letzte Woche die GdL – reißt das andere mit. Oft mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen.

In der Bekämpfung der Corona-Pandemie ist das nicht anders. Immer wieder werden neue Regeln entwickelt, angepasst, aktualisiert, und immer wieder stellen wir uns neu darauf ein. Als Unternehmen haben wir in den vergangenen 18 Monaten Lockdowns verschiedenster Ausführungen hingenommen, Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, in großem Umfang und auf eigene Kosten Schutzmaterial und Test-Kits besorgt, die Kommunikation mit den Beschäftigten (intern) und Kunden (extern) trotz der ungewohnten Entfernungen aufrechterhalten. Oft aber nur, um wenige Wochen später aus der Bundes- und Landespolitik neue Regelungen zu erhalten.

Nicht ständig den Rahmen ändern

Ich verstehe die Unsicherheiten auch angesichts vieler widersprüchlicher Stimmen von Experten und Interessenvertretern. Bei Streiks und Corona gleichermaßen. Aber um erfolgreich zu arbeiten, müssen wir wieder in ein ruhigeres Fahrwasser kommen. Eben mehr langfristige (!) Verlässlichkeit. Die kann es nur geben, wenn wir nicht ständig den Rahmen ändern. Das Magazin „impulse“ schrieb vor zwei Jahren: „Der Zug ist pünktlich, die Handyverbindung stabil, das bestellte Paket kommt rechtzeitig an – Verlässlichkeit ist im Alltag das A und O.“ 

Zugegeben: Das ist in den Fällen schwierig, in denen der Rahmen nicht durch uns direkt und unmittelbar beeinflussbar ist. Zum Beispiel bei Naturkatastrophen – die zwar in vielen Fällen Menschen-gemacht sind, aber nicht per Knopfdruck abgewendet werden können. Bei den vom Hochwasser schlimm betroffenen Gemeinden und Regionen in Süddeutschland und vor allem in Rheinland und Eifel haben sich die Menschen und Betriebe auch verlassen auf Sicherheit von Dämmen, auf ausgewiesene Wohn- und Gewerbegebiete, auf prognostizierte Flussläufe (ganz einfach, weil das in den letzten Jahrzehnten kein Problem darzustellen schien und/oder niemand die Probleme öffentlich machte) – und auf die rechtzeitige Warnung durch die zuständigen Behörden.  

Wir haben uns verlassen und wurden nicht nur enttäuscht, sondern viele wurden existenziell bedroht, wenn nicht gar vernichtet. Auch diese Menschen und Betriebe wollen für die Zukunft wieder mehr Verlässlichkeit – sowohl was Sicherheit ihrer Häuser und Infrastruktur angeht, als auch was Schadensregulierung betrifft.

Auch auf Beschäftigte muss Verlass sein

Wir brauchen wieder mehr Verlässlichkeit – in der nationalen und internationalen Politik, in unserem Miteinander, in der Wirtschaft, mehr noch: in der gesamten Gesellschaft. Als Personalberater höre ich immer wieder von Firmen, dass sie neue Mitarbeiter oder Auszubildende einstellen und die dann am ersten Arbeitstag einen Rückzieher machen. Weil ihnen ein scheinbar besseres Angebot vorliegt, weil sie sich anders entschieden haben oder aus anderen Gründen. In Zeiten, in denen der Arbeitsmarkt in vielen Branchen nahezu leergefegt ist, wiegt solche Unzuverlässigkeit besonders schwer. 

Ich bin froh, dass uns das mit den von uns vermittelten Fachleuten und Managern nicht passiert ist. Ich glaube schon sagen zu können, dass ich im Gespräch mit Bewerbern und potenziellen neuen Arbeitskräften schnell erkenne, ob wirklich ernsthaftes Interesse vorliegt oder nicht, ob die Chemie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stimmt. Auch hier braucht es Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. 

Als Personalvermittler und Berater können wir den Prozess begleiten, wir können aber die Einstellung der Menschen nicht ändern. Genauso wenig können wir als Unternehmen die Pläne der Politik ändern. Wir können nur darauf hinweisen, dass mehr Verlässlichkeit, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit der verabschiedeten Programme eine wichtige Basis sind, damit sich nach der Corona-Pandemie alle Branchen in Deutschland wieder regenerieren können.