Ende November war ich gebeten worden, bei einem Unternehmer-Abend in der IHK in Ulm über Personalführung in Zeiten von Homeoffice zu sprechen. „Führen auf Distanz“ war der Titel der Veranstaltung, und dass so viele Unternehmer, Geschäftsführer, Personal- und Teamleiter gekommen sind, zeigt, dass Homeoffice und überregionale virtuelle Personalführung bald vier Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown zwar für viele selbstverständlich, aber deshalb nicht einfacher geworden ist.
Anders als früher erledigen heute in fast allen Unternehmen, Verbänden oder Einrichtungen Beschäftigte mindestens einen Teil ihrer Arbeit in den privaten vier Wänden. Einige müssen mindestens zwei Tage pro Woche ins Büro, andere vier Tage, wieder andere gar nicht – das wird sehr unterschiedlich geregelt. In jedem Fall hat dieser Wechsel aus Anwesenheit und Abwesenheit und die geforderte und gelebte Flexibilität bei Homeoffice-Regelungen Folgen für die Personalführung – und für die sozialen und kommunikativen Kompetenzen, die Führungskräfte heute mitbringen müssen.
Wichtig für Führungskräfte: Die Ziele der Mitarbeiter kennen
Dazu ist zunächst einmal wichtig zu wissen, was „Führung“ überhaupt heißt. Da kamen einige der Veranstaltungs-Teilnehmer schon ins Nachdenken. Wir sprechen zwar oft von Personalführung oder Führungsverantwortung, doch kennen nicht alle die Bedeutung. Es geht nämlich nicht nur darum, Beschäftigte zu kontrollieren, zu bewerten oder anzuleiten. Es geht vor allem darum, gemeinsam Ziele zu erreichen. Dazu müssen den Mitarbeitern diese Ziele klar sein. Ein Team kann seine Zeile nur erreichen, wenn der einzelne Mitarbeiter seine Ziele erreicht. Erst dann profitiert auch das Unternehmen selbst.
„Wer nicht weiß, in welchen Hafen er segeln will, für den steht kein Wind günstig“ – dieses Seneca-Zitat umreißt ein Problem, das wir vielerorts in der Mitarbeiterführung haben. Ohne Ziel vor Augen fehlt manchen nicht nur der Antrieb, ich kann auch nicht entscheiden, ob der Kurs stimmt. Daher ist es wichtig, die Ziele im Blick zu behalten. Anders als im direkten Kontakt im selben Gebäude – wo ich meine Mitarbeiter jeden Tag sehe und ihnen ansehe, ob ihnen ihre Aufgabe klar ist, sie zufrieden sind und damit weiterkommen – muss ich in der virtuellen überregionalen Führung mehr Klarheit und kürzere Zielhorizonte vorgeben und ein regelmäßiges und professionelles Feedback beherrschen und nutzen.
Mehr Flexibilität in der Personalführung
Dabei ist es wichtig, als Führungskraft gewissenhaft zu sein und vereinbarte regelmäßige (Online-)Meetings einzuhalten, aber zugleich die Personalführung flexibel zu gestalten. Teams können und sollen in neuen Situationen experimentieren und sich den Umständen anpassen. Beziehen Sie dabei alle Beschäftigten mit ein, bremsen Sie die, die sich in den Vordergrund drängen, und achten Sie darauf, dass sich nicht einzelne Mitarbeiter zurückziehen.
Es gibt verschiedene Symptome, die einen solchen Rückzug erkennen lassen. Hier heißt es unbedingt schnell und entschieden zu reagieren, damit einem der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin im Laufe des Arbeitens auf Distanz nicht verloren geht. Erste Anzeichen für eine abnehmende Bindung an Vorgesetzte oder Kollegen kann es zum Beispiel geben, wenn regelmäßige Online-Treffen, Telefonate oder auch nur der lose Austausch per Mail nachlassen oder nicht eingehalten werden.
Alarmsignale erkennen, Risiken und Probleme offen ansprechen
Auch eine Entfremdung zur eigenen Arbeit oder zum Unternehmen sind ein Alarmsignal. Wenn die Leistung nicht mehr stimmt, sich Prokrastination (so genannte Aufschieberitis) breit macht, Fristen nicht mehr eingehalten werden oder Beschäftigte demotiviert wirken – sprechen Sie diejenigen schnell und direkt unter vier Augen an. Vereinbaren Sie Gesprächstermine, virtuell oder vor Ort im Unternehmen oder in ungestörter Atmosphäre in der Nähe des Mitarbeiters.
Solche Risiken und Probleme mit dem Homeoffice sind keine Seltenheit und sie sind sehr menschlich. Mancher kann sich mit der Arbeit in den privaten vier Wänden wunderbar organisieren, andere verlieren eine Arbeits- und Tagesstruktur aus dem Blick und verfallen schließlich in Unzufriedenheit, Überforderung, Antriebslosigkeit oder auch depressive Phasen.
Über diese Risiken habe ich zu Beginn der zunächst Corona-bedingten Homeoffice-Tätigkeit 2020 von Beginn an offen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der cigus GmbH gesprochen. Für Online-Meetings resp. Videokonferenzen war von Anfang an klar: Kamera an! Alle haben das mitgemacht. Alle wollten auch den Kontakt untereinander. Und ich wollte die Mitarbeiter sehen, ich wollte sehen, dass es ihnen gut geht, und dass sie trotz der damals schwierigen Lage wach und vorbereitet in den Arbeitstag starten.
Auch Homeoffice-Arbeit braucht Präsenz-Termine
In regelmäßigen Mailings habe ich allen Beschäftigten Anregungen gegeben, sich eine Wochen-Struktur zu erstellen. Dazu gehören in unserer Firma etwa ein regelmäßiges Meeting mit Leistungskontrolle oder Aufgabenverteilung am Montagmorgen, regelmäßige kurze persönliche Online-Meetings unter der Woche sowie am Freitag ein Wochenrückblick. Aber auch das Privatleben braucht – erst recht in Kombination mit der Homeoffice-Arbeit – eine Struktur bzw. einen klaren Tagesablauf. Dazu gehören feste Pausenzeiten, gesunde Ernährung, Bewegung an frischer Luft und genug Schlaf und Erholung. Wer fast nur remote arbeitet, muss lernen, auch konsequent Feierabend zu machen und damit zwischen beruflicher Zeit und Freizeit zu unterscheiden. Daran muss er sich selbst erinnern – oder erinnert werden. Das ist eine der wichtigen Fürsorge-Aufgaben von Führungskräften im Umgang mit Mitarbeitern, speziell mit Homeoffice.
Wichtig ist auch, die Homeoffice-Arbeiter durch Präsenz-Events immer wieder an das Unternehmen, an ihr Team und die Kollegen zu binden. Einige unserer technischen Teams treffen sich zum Beispiel etwa alle drei Monate zu einem Team-Meeting in unserer Zentrale in Ulm oder in einem der Technischen Büros. Darüber hinaus veranstalten wir jedes Jahr mindestens zwei Mitarbeiter-Events, zu denen auch alle aus dem Homeoffice eingeladen sind. Viele machen sich dann auch von weit her auf den Weg nach Ulm, weil sie diese Treffen in Präsenz schätzen. Das macht mich jedesmal wirklich glücklich, weil ich die Beschäftigten in einer guten Stimmung und einem guten und lebendigen Austausch miteinander erlebe. Da ist auch kein Unterschied spürbar, ob jemand jeden Tag ins Büro fährt oder die meiste Zeit zu Hause arbeitet. Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage, um als hybrides Team mindestens ebenso erfolgreich zu sein wie als reines Präsenzteam – vielleicht sogar noch besser.