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Selbständigen und freien Mitarbeitern mehr Raum geben wegen Corona

Die meisten erfolgreichen Selbständigen haben einmal klein angefangen. Meist mit nur einem Kunden. Dann gewann man irgendwann einen zweiten, schließlich noch mehr. Das ist in vielen Branchen so und bei Ingenieuren in unserem Bereich Engineering nicht anders. Ich habe zahlreiche umtriebige Menschen kennengelernt, die als Selbständige heute sehr erfolgreich einzelne Unternehmen unterstützen und beraten – heute oft abwertend als „Solo-Selbständige“ bezeichnet. 

Doch mit nur einem Kunden zu arbeiten, ist rechtlich problematisch und durch die schärfere Auslegung der Vorschriften und Gesetze oft nicht mehr zulässig. Der Gesetzgeber sieht darin den Fall von Scheinselbständigkeit. Mit deren Verbot hat man die Sozialversicherung stärken und die spätere finanzielle Absicherung von Freischaffenden gewährleisten wollen.

Aber wie starte ich als Selbständiger ein Unternehmen, wenn ich zu Beginn nicht einen, sondern gleich zwei Kunden auf einmal gewinnen und vorweisen muss? – Diese Frage ist wieder aktuell, weil vielen Freien die Kunden weggebrochen sind. Zum Ende der Corona-Pandemie und ihrer Einschränkungen werden wieder viele Branchen den Betrieb hochfahren. Dann brauchen wir Flexibilität. Ich spreche mit selbständigen Ingenieuren ebenso wie mit Unternehmern, und für beide Seiten ist die Frage der gesetzeskonformen Beauftragung noch nicht geklärt. 

Für den Unternehmer nicht, der gerne mit dem freien Mitarbeiter auch nach Corona wieder arbeiten möchte, aber die Regressionen der Rentenversicherung und des Zolls scheut. Denn die Zusammenarbeit mit einem „Scheinselbständigen“ zieht Ärger und finanzielle Forderungen nach sich. Unter Umständen steht ganz schnell der Staatsanwalt in der Tür. Und der Selbständige braucht Aufträge, die er wegen genau dieser Befürchtungen nach Corona nicht so einfach bekommt.

Regelungen gegen Scheinselbständigkeit müssen flexibler sein

Wie schon so oft zeigen gerade die Corona-Pandemie und ihre Folgen und Einschränkungen, dass unser Arbeitssystem an vielen Stellen zu unflexibel geworden ist. Da werden Zeitarbeit, Leiharbeit und Werkverträge – ausgehend von den Zuständen in einem Fleischereibetrieb – über einen Kamm geschoren und für alle Branchen verteufelt oder mindestens angezweifelt. Dabei haben Zeitarbeit und Werkverträge im Engineering, in der technischen Beratung wie in vielen anderen Berufsfeldern eine enorme Bedeutung. Sie bieten Firmen und Fachleuten genau die Flexibilität, die sie benötigen und sich wünschen.

Ähnliches sehen wir nun beim Beispiel der so genannten Scheinselbständigkeit. Es mag Unternehmer und Selbständige geben, die die hohen Beiträge für die Sozialversicherung umgehen wollen. Aber die meisten Menschen, die ich als Selbständige kennengelernt habe, wollen frei arbeiten statt in Organisationen eingebunden zu sein. Sie schätzen den kreativen Freiraum und das oft höhere Tempo bei extern vergebenen Projekten. Und sie kennen auch die damit verbundenen Risiken. Um schnell aus der Krise heraus zu kommen, müssen wir ihnen den Start erleichtern. Wir brauchen auch hier mehr Flexibilität.

Neue Wege einschlagen nach der Corona-Krise

Wer zum Beispiel über einen bestimmten Zeitraum – ein oder zwei Jahre – für zunächst nur einen Auftraggeber tätig wird, sollte nicht automatisch als scheinselbständig gelten. Nach diesem Zeitraum sollten weitere Auftraggeber her. Bis dahin dürfte es ohnehin im Sinne der Selbständigen sein, zusätzliche Aufträge akquiriert zu haben. Denn nur auf ein Pferd zu setzen, erweist sich regelmäßig als hochriskant. Aber müssen wir diesen mutigen Menschen dann die Entwicklung ihrer Idee verbieten?

Politik und Verwaltung müssen Verordnungen und Vorschriften vereinfachen und der wirtschaftlichen Freiheit wieder mehr Platz geben. Gerade jetzt müssen wir darüber reden, damit es nach Ende der aktuellen Einschränkungen wieder schnell bergauf geht. Dafür muss man auch mal neue Pfade betreten und der Bürokratie Einhalt gebieten.