In der zweiten Welle der Corona-Pandemie, die uns derzeit erwischt, zeigt sich einmal mehr: Deutschland steht im Vergleich zu vielen anderen Industrie-Nationen gut da. Wir haben weniger Infektions- und Todesfälle. Und ein zweiter Lockdown, der unserer Wirtschaft branchenübergreifend schaden würde, wurde bisher vermieden. Viele Regeln für das Zusammenleben wurden getroffen, und die meisten Menschen (leider nicht alle) agieren klug und weitsichtig. Unternehmen und Beschäftigte reagieren seit März immer wieder flexibel auf die Entwicklung der Pandemie. Dazu gehört, dass viele Arbeitnehmer soweit nötig und möglich vom Büro ins Homeoffice wechseln.
Aus dieser Not heraus nun aber einen generellen Rechtsanspruch auf pauschal 24 Tage Homeoffice für alle Arbeitnehmer zu basteln, ist grundfalsch. Es ist populistisch und schadet der Wirtschaft ebenso wie den Beschäftigten. Es zeigt auch, dass es einigen Politikern an dem nötigen Einblick in die Wirklichkeit der Betriebsabläufe fehlt.
Grenzen und Unterschiede beim Homeoffice
Denn Homeoffice ist schlicht nicht immer möglich. Sei es aus Gründen der Arbeitsabläufe, wegen der technischen Voraussetzungen wie IT-Anbindung oder fehlender Geräte zu Hause oder wegen der gebotenen Vertraulichkeit. Auch die Frage, wer bei mangelndem Datenschutz bzw. Datensicherheit im heimischen Büro haftet, ist unklar. Welcher Richter will also entscheiden, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, seinen Beschäftigten Homeoffice zu ermöglichen?
In meinem Unternehmen haben wir mit dem Homeoffice während des Lockdowns sehr gute Erfahrungen gemacht. Es hat uns geholfen, an einigen entscheidenden Stellen für unsere Kunden weiter aktiv zu sein. Aber es hatte auch Grenzen. Viele technische Entwicklungen, die wir betreuen, finden unter enormen Sicherheitsstandards statt. Viele unserer Kunden sind Weltmarktführer auf ihrem Gebiet – zum Beispiel Optik, Mechatronik oder Fahrzeugbau. Deren technologisches Know-how und unseren Anteil daran kommunizieren wir nicht über heimische Netzwerke oder herkömmliche Telefonleitungen.
Datenschutz und Arbeitsschutz im Homeoffice: Wer haftet?
Hinzu kommt: Wer seinen Mitarbeitern Homeoffice ermöglicht, ist für die Ausstattung des Arbeitsplatzes und für den Arbeitsschutz zu Hause mitverantwortlich. Gilt das auch, wenn es einen pauschalen Anspruch auf Heimarbeit gibt? Muss ich als Arbeitgeber dann alle Mitarbeiter regelmäßig besuchen, um die Einhaltung der Vorschriften zu überprüfen?
Stellen Sie sich den Versuchsingenieur, die Testpilotin oder einen Rechtsmediziner vor, die Homeoffice machen. Wie soll das gehen? Der Plan von Arbeitsminister Heil sieht vor, dass der Rechtsanspruch nur „bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe“ abgelehnt werden darf. Wer definiert, welche konkreten Gründe diesem Anspruch genügen und welche nicht?
All das ist noch ungeregelt – und ich fürchte, dass alles bis ins kleinste Detail geregelt werden soll. Hier ist zahlreichen Diskussionen, innerbetrieblichen Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten Tür und Tor geöffnet. Und dem Missbrauch bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch.
Darum schrieb die „WirtschaftsWoche“ schon im Jahr 2018, dass „Homeoffice nicht die ultimative Lösung ist“. Zu viele Details müssen berücksichtigt werden, die von der Branche, vom Unternehmen und von der jeweils individuellen Situation der Beschäftigten abhängen. Ich setze daher auf Freiwilligkeit und Vernunft, statt auf staatliche Vorgaben.