Im Dezember habe ich an dieser Stelle von Jahresend-Rallye, Weihnachtsstress und Termindruck geschrieben. Und davon, dass nach den hektischen Wochen im besinnlichen Advent eine wirkliche Auszeit kommt: Weihnachten, Silvester, Ferien.
Bei mir ist die Auszeit sogar noch länger, denn ich bin seit Anfang des Jahres nicht mehr als Geschäftsführer der cigus GmbH in Ulm tätig. Nach über 30 Jahren Unternehmer-Dasein habe ich die operative Leitung an meinen Nachfolger übergeben. Angesichts von 200.000 Unternehmen, die deutschlandweit auf einen Nachfolger warten, bin ich sehr glücklich und zufrieden, dass uns das gelungen ist. (wie erfolgreiche Nachfolge geht, habe ich in einem Interview erklärt)
Was heißt das aber nun für mich und meine neu gewonnene freie Zeit? – Erst einmal nichts, denn wie erwartet geht es geschäftig weiter. Ich bin dem Unternehmen ja noch als Gesellschafter und Berater verbunden, ich habe Aufgaben im Beirat und außerdem bin ich selbständig weiter als Coach – vor allem im pferdegestützten Coaching – tätig.
Aus der aktiven Projektrolle heraus – mehr selbstbestimmte Zeit
Was ich mache: Ich kann besser abschalten, etwas kürzertreten und zusammen mit den Pferden aus unserem Coaching die Gedanken sortieren und viel draußen in der Natur sein. Darauf freue ich mich. Ich predige es zwar schon lange, wie wichtig das ist: immer wieder Freiräume und Auszeiten sichern. Aber predigen und machen sind zwei Paar Schuhe. Auch die Pferde, mit denen ich arbeite, können nicht ununterbrochen Höchstleistung bringen, sondern sie ruhen aus, brauchen gutes Futter und legen sich auch hin zum Ausruhen.
Aktuell bin ich noch in einige Firmen- und Kunden-Projekte eingebunden. Aber in der nächsten Zeit werde ich die vollends übergeben und kann dann freier über meine Zeit und mein Tun entscheiden. Ich spüre schon jetzt, wie sich die Reaktions-Geschwindigkeit reduziert.
Diese Verlangsamung sehe ich als großes Geschenk – und gleichzeitig frage ich mich, warum ich mich in der Vergangenheit überhaupt habe so oft (an)treiben lassen. Es war der Gedanke, dem Kundenwunsch zu entsprechen und Erfolg zu haben. Auch wenn es sich zunächst leichter anhört als es umzusetzen ist: schon jetzt spüre ich, dass die regelmäßigen Pausen für eine Reflexionsphase schöne neue Erkenntnisse bringen – und ich werde diese auch einhalten. Denn in meiner neuen Aufgabe als selbständiger Coach und Nachfolge-Berater muss ich neue Ideen entwickeln: Was will ich in den nächsten Monaten und Jahren machen? Welche Projekte sind interessant? Wie will ich die Aufgaben gestalten?
Raus aus der Nachrichten-Spirale
Was ich auch gemacht habe: Ich habe eine Woche keine Nachrichten verfolgt. Trump, Musk, Merz, FPÖ, AfD, Krisen und Kriege… ich wolle sehen, ob ich das brauche. Es war ein gutes Experiment. Die relevanten Informationen sind auch so zu mir gekommen. Die Nachrichtenlage verändert sich viel langsamer, als ich vermutet hatte. Was in den nächsten Wochen und Monaten politisch passieren wird, können wir eh nicht ahnen, sondern nur vermuten. Aber ich muss nicht alle paar Minuten ein Nachrichten-Update einholen. Lass die Welt sich drehen…
Das Wichtigste für mich – und das erkenne ich – ist, dass wir die nötigen Ruhephasen nicht auf den Urlaub schieben oder in die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern dass wir uns regelmäßig Zeit für ein Review nehmen. Ich werde nun zum Beispiel wöchentlich – zu Beginn oder am Ende einer Woche – ein Zeitfenster für eine bewusste Reflexion einplanen. Wie einen Jour fixe mit einem wichtigen Kunden – jetzt aber mit mir selbst.
Termin mit mir selbst – und monatlich mit einem Sparring Partner
Das wird Übung brauchen und vermutlich nicht auf Anhieb klappen. Vielleicht dauert es zwei- oder dreimal, bis dieser Jour fixe Wirklichkeit wird (er findet halt dann doch nicht mit einem wichtigen Kunden statt, sondern „nur“ mit mir selbst…) Versuchen werde ich es aber immer wieder. Dieser „Termin mit sich selbst“, wie mein Kommunikationsberater ihn immer nennt, soll als meine Gewohnheit manifestiert werden. Jeder von uns kann das tun.
Eine große Hilfe ist es dabei, den Termin auch anderen gegenüber verbindlich zu erklären oder einen Sparring-Partner hinzuzuziehen und fest einzuplanen. Bei mir sind das zum Beispiel meine Frau, mein Sohn, aber auch Kollegen oder langjährige Wegbegleiter aus Wirtschaft und Industrie – und zum Beispiel auch mein Pferd aus meinem Coaching. Mit ihm kann ich wunderbar reflektieren und motiviert neue Entscheidungen treffen. Es versteht mich 😊